MUTTER SEIN UND ARBEITEN: DAS TOLLE DARAN. DAS SCHWIERIGE DARAN.
Meine Freundin und Ex-Arbeitskollegin Nicola erzählt uns, was das Tolle und was das Schwierige an ihrem Leben als arbeitende Mutter ist. Außerdem haben wir sie gefragt, was sich ändern müsste, um eine perfekte Job-Welt für Mütter zu schaffen. Nicola, du sprichst uns in so vielen Punkten aus der Seele. Vielen Dank für dieses tolle Interview!
Nicola wohnt mit ihrem Mann Lars und ihrer Tochter Ava (2 Jahre) in Hamburg Ottensen. Sie arbeitet bei einer großen Kommunikationsagentur. Vor Avas Geburt hat sie in einer Führungsposition ein großes Team geleitet. Seitdem Ava ein Jahr alt ist, ist sie mit 30 Stunden in Teilzeit zurück im Job und arbeitet als Senior Beraterin und Projektleiterin ohne Personalverantwortung. Sie arbeitet an drei kurzen und zwei langen Arbeitstagen. An denen übernehmen die Omas oder Lars die Kinderbetreuung.
MUTTER SEIN UND ARBEITEN – WAS IST DAS TOLLE DARAN?
Ich arbeite seit über 10 Jahren in verschiedenen Kommunikationsagenturen und früher habe ich abends häufig lange gearbeitet. Mit spannenden Projekten und vor allem auch netten Kollegen hat mir das nie viel ausgemacht, aber irgendwann nimmt die Arbeit einen zu großen Stellenwert ein. Man fragt sich, ob das wirklich alles ist. Und manchmal habe ich mir auch einfach zu viele Gedanken und zu viel Stress im Job gemacht. Heute arbeite ich immer noch sehr engagiert, aber wenn mal etwas nicht klappt oder nicht perfekt läuft, kann ich damit besser umgehen. Ein Kind zu haben eröffnet eine ganz neue Welt und schafft eine gesunde Distanz zum Job. Schon wenn ich an Ava denke, geht mir das Herz auf. Ihr Lachen macht mich glücklich. Und wenn es ihr nicht gut geht, würde ich jederzeit alles stehen und liegen lassen. Mutterliebe ist so stark und so bedingungslos, das ist eine unfassbar tolle Erfahrung.
Ich freue mich jetzt mehr auf die Arbeit, weil die auch „Zeit für mich“ bedeutet. Zeit in der ich selbst gestalten und kreativ sein kann. Gleichzeitig freue ich mich riesig darauf, zwei bis drei Nachmittage die Woche mit meiner Tochter zu verbringen. Ava sagt immer, heute ist Mama-Tag. Und den machen wir uns dann richtig schön zusammen und genießen unsere gemeinsame Zeit. Es erdet mich absolut mit Ava unterwegs zu sein, zu sehen, wie sie sich über Kleinigkeiten freut, die Welt entdeckt und jeden Tag etwas Neues lernt. Seit Neuestem singt sie die ganze Zeit, das macht einfach Spaß.
Mehr Abwechslung im Alltag: Klar, das Jonglieren zwischen Job und Kind ist anstrengend. Aber es wird nie langweilig. Nachmittags bin ich viel draußen unterwegs. Gerade im Sommer finde ich es total schön, nicht den ganzen Tag drinnen am Schreibtisch sitzen zu müssen. Hin und wieder arbeite ich auch im Home-Office und spare mir den langen Fahrweg. Ich genieße diese ruhigen Vormittage, auch wenn ich ansonsten den Austausch mit den Kollegen und die Arbeit im Team sehr mag.
In Teilzeit arbeiten ist sehr effizient und ich habe das Gefühl, viel produktiver zu sein als früher. Meine Berufserfahrung hilft mir sicher auch dabei, klare Prioritäten zu setzen. Auch in fünf oder sechs Stunden kann man viel schaffen. Ich habe es ehrlich gesagt noch nie erlebt, dass ich ein Projekt nicht erfolgreich umsetzen konnte, weil ich Teilzeit arbeite. Das zeigt mir, dass man auch in 30 Stunden erfolgreich sein kann und gibt mir Selbstvertrauen.
MUTTER SEIN UND ARBEITEN – WAS IST MANCHMAL HART DARAN?
Am härtesten ist es für mich, dass ich mich als Mutter wieder neu beweisen muss und die Position, die ich mir vor Avas Geburt erarbeitet hatte, mir nicht automatisch weiter zugetraut wird. Klar, eine Führungsaufgabe ist in Teilzeit gerade in der Agenturbranche nicht so einfach umzusetzen. Und natürlich gibt es auch Momente, in denen ich froh bin, weniger Verantwortung zu haben und keine Jobprojekte, die mir schlaflose Nächte machen. Aber das Gefühl des Rückschritts beschäftigt mich. Und dann denke ich manchmal, dass vielleicht auch mein Anspruch zu hoch ist und man eben nicht alles haben kann. Es ist einfach anstrengend, beides zu wollen: Mutter sein und Karriere machen. Und deshalb entscheiden sich viele Frauen und setzen ganz klar ihre Prioritäten. Mir fällt das schwer.
Egal, was man tut, man hat den Eindruck es ist nie genug: Mit 30 Stunden gehöre ich in meinem Umfeld zu den Müttern, die eher viel arbeiten und dafür auch auf Zeit für sich und natürlich auf Zeit mit ihrem Kind verzichten. Aber wenn ich in der Agentur bin, bekomme ich doch häufig das Gefühl vermittelt, dass ich viel zu wenig da bin. Nach dem Motto: „Ich weiß gar nicht, wann ich dir einen Termin für ein Meeting einstellen kann, wann bist du nochmal in der Agentur?“ oder „Sag dem Kunden bitte erstmal nicht, dass du Teilzeit arbeitest“.
Mit 30 Stunden nicht immer für voll genommen zu werden, das stört mich. Obwohl ich für einen coolen Kunden und in einem supernetten Team arbeite. Und auch die Alltagsorganisation mit den Kollegen klappt sehr gut. Da kann ich mich absolut nicht beschweren.
Während ich im Büro mit dem „Teilzeit-Mutti-Image“ konfrontiert werde, muss ich mir von anderen Müttern mitleidige Blicke zuwerfen lassen, weil ich ja nur „so wenig Zeit“ mit meinem Kind verbringe. Die Arbeit macht mir Spaß, ist meine Unabhängigkeit und ein Stück von meinem alten Leben, auf das ich keinesfalls verzichten möchte. Dafür möchte ich mich nicht rechtfertigen. Ava geht es gut damit, sie genießt es total zwei Nachmittage mit ihren Omas zu verbringen und auch von Papa regelmäßig abgeholt zu werden.
Trotzdem habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen, zum Beispiel wenn es Zeiten gibt, in denen ich abends mehr unterwegs bin oder mal alleine übers Wochenende wegfahren möchte. Da überlege ich schon ganz genau. Gerade an den Wochenenden ist es mir sehr wichtig, dass wir genug Zeit zu dritt als Familie haben.
Mutter sein und ein 30-Stunden-Job mit Fahrweg durch die halbe Stadt, das heißt, dass der Alltag echt eng getaktet ist. Und wenn etwas schief geht, jemand krank wird, die Omas ausfallen oder Lars auf Geschäftsreise geht, komme ich manchmal an meine Grenzen. Und natürlich geht der Anspruch in wenig Zeit viel wegzuschaffen auch zu Lasten von vielen Dingen, die bei der Arbeit Spaß machen: Die ausgedehnte Mittagspause, das Feierabendbier mit den Kollegen oder auch einfach nur das gemütliche Klönen in der Kaffeeküche. Deshalb habe ich meinen Alltag jetzt so organisiert, dass ich einen Tag Vollzeit arbeite, um mehr am Agenturleben teilhaben zu können. Darüber bin ich echt froh.
WAS MÜSSTE VERÄNDERT WERDEN, UM EINE PERFEKTE ARBEITSWELT FÜR MÜTTER ZU SCHAFFEN?
Ich persönlich würde mir wünschen, dass die 32-Stundenwoche für Mütter und Väter eingeführt wird. Noch visionärer wäre es natürlich, wenn grundsätzlich nur noch 32-Stunden-Verträge abgeschlossen würden und damit jedem Arbeitnehmer mehr Zeit für private Projekte, Initiativen oder auch ein ausgedehntes Hobby bleibt. Es gibt Studien, dass eine Reduzierung der Arbeitsstunden nicht zu Lasten der Produktivität gehen muss.
Aber zurück zum Thema: Die 32-Stundenwoche würde es Müttern leichter machen, sich auch mit Kind beruflich weiterzuentwickeln und neue Karrierechancen eröffnen. Es wäre für mich das perfekte Modell, mir die Arbeits- und Kinderbetreuungszeit mit meinem Partner wirklich gleichberechtigt aufzuteilen.
Ich glaube aber, es braucht mehr als eine gesetzliche Veränderung, um die Position der berufstätigen Mütter zu stärken. Schließlich bewirkt so ein Gesetz nur etwas, wenn viele Frauen und Männer davon auch Gebrauch machen.
Und da bin ich ehrlicherweise etwas unsicher: Schließlich sind häufig noch die Männer die besseren Verdiener und es wird vielen Männern sicher auch nicht leicht fallen, im Job zurückzufahren.
Elternzeit nehmen auch nur die wenigsten Männer mehr als zwei Monate. Ein neues Gesetz müsste wohl viel weiter greifen und auch gleichberechtigte Gehälter von Männern und Frauen einbeziehen. Ich bin immer wieder überrascht wie weit verbreitet die klassische Rollenaufteilung in Familien noch ist, auch bei Frauen, die vor dem Kind immer gerne und viel gearbeitet haben.
Ein spannender Ansatz, der auch ohne Gesetzesänderung kurzfristig umgesetzt werden kann, ist für mich das Jobsharing, d.h. zwei Mütter, die sich eine Vollzeit-Führungsposition teilen. Ich kenne sogar Mütter, die sich zusammengetan und zu zweit erfolgreich auf einen Job beworben haben. Super Initiative und cool, dass das geklappt hat. Aber das sind Einzelfälle und wer kennt gerade die Mutter, die genau auf der gleichen Position arbeiten möchte und kann wie man selbst? Hier könnten aus meiner Sicht von Arbeitgeberseite viel mehr Angebote gemacht werden. Schließlich profitieren davon alle Beteiligten.